28.02.1999 PDF

NatiOn -- NaziOff

Deutschland abschalten
Am 1. Mai auf die Straße gegen Deutschland und seine faschistischen Fans!


Was am 1. Mai 1890 als "Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse" begonnen wurde, machten die Nazis 1933 zum "Tag der nationalen Arbeit". Am 1. Mai 1999 will die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" in Bremen eine Großdemonstration durchführen. Wie letztes Jahr in Leipzig wird der braune Mob X-tausend-köpfig auftauchen, um mit rassistischer und nationalistischer Hetze möglichst viele "ganz normale" AktivbürgerInnen anzuziehen. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, daß die NPD damit Erfolg haben wird. Daß die Nazis ihre Demo ausgerechnet am 1. Mai machen wollen, finden viele unverschämt: Der "Tag der Arbeit", wie dies seit 1946 heißt, gilt vielen als links.
Gegen die NPD zu demonstrieren, ist richtig und notwendig, aber nicht um den Tag der Arbeit zu retten. Warum das so ist und was daraus folgt, soll dieses Flugblatt klären.


"Arbeit nur für Deutsche"
Die NPD bezeichnet sich als national-antikapitalistisch. Sie fordert Arbeit für alle Deutschen. Dabei tut sie so, als wolle sie mit den derzeit herrschenden Verhältnissen Schluß machen; in Wirklichkeit radikalisieren sie diese nur. Das sieht dann so aus, daß eine neue Herrschaft installiert wird, die alle tüchtig drauflosarbeiten läßt, egal ob sie wollen oder nicht. Dieser Arbeitszwang ist schon der halbe Antikapitalismus der Nazis.
Nazis behaupten, AusländerInnen nähmen Deutschen die Arbeitsplätze weg. Die Wohltat der Lohnsklaverei wollen die NationalistInnen nur ihren Volksangehörigen zugestehen. Um darauf zu kommen, muß mensch erstmal der Überzeugung sein, daß Arbeitsplätze für die Menschen da sind (und nicht etwa, wie es wirklich ist, die Menschen für die Arbeitsplätze). Andere sind für Arbeit für alle (z.B. DGB, PDS, ...). Aber für Arbeit sind alle. Wieso eigentlich?

Arbeit ist scheiße.
Arbeit macht keinen Spaß, aber alle wollen Arbeit. Dieser komische Widerspruch löst sich bei Betrachtung gesellschaftlicher Verhältnisse: In einer kapitalistischen Weltordnung ist die Mehrheit der Menschen darauf angewiesen, sich über irgendeine Form von Lohnarbeit zu erhalten. Dies hat seinen Grund im Prinzip des Privateigentums: Einem Großteil der Menschen ist der freie Zugang zu den Mitteln verwehrt, die ihr (Über-)Leben garantieren. Die Produktionsmittel gehören anderen: Die Fabriken den Unternehmen und der Boden den GrundbesitzerInnen. Manche brauchen die eigene Arbeitskraft nicht zu verkaufen, weil sie eben solche Produktionsmittel besitzen. Dieser Minderheit geht es zwar in der Regel materiell gesehen besser als dem Rest, aber auch sie kann nicht frei über ihr Tun und Lassen verfügen. Vielmehr müssen die Unternehmen sich an die Marktgesetze halten und beständig investieren: Aus Geld mehr Geld machen, um in der Konkurrenz bestehen zu können.
Der Wahnsinn des Kapitalismus zeigt sich besonders deutlich, wenn z.B. in Europa tonnenweise Essen vernichtet wird, während in Afrika Menschen verhungern. Das liegt daran, daß nur für Bedürfnisse produziert wird, für deren Befriedigung bezahlt werden kann. D.h., es wird für einen Markt produziert, anstatt für die Bedürfnisse der Menschen. Der technische Fortschritt könnte inzwischen allen ein gutes Leben garantieren (auch ohne die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören).
Stattdessen fügen sich die Menschen in das System und gehen arbeiten, um in dieser widersinnigen Welt zu überleben. Dabei ist höchstens zweitrangig, ob sie ihre Arbeit sinnvoll oder spaßig finden: Wichtig ist die Bezahlung. Diese sichert das physische Überleben und die sonstige Reproduktion: Familienleben & Nachwuchs, Erholung, Zerstreuung in der Kulturindustrie usw. So wird Geld verdient, um auch im nächsten Jahr noch arbeiten gehen zu können, um Geld zu verdienen, um auch im nächsten Jahr... um zu leben.
Bleiben noch die, die leben und trotzdem keine Arbeit bekommen. Alltagsweisheit ist, daß die Arbeitslosen uns allen auf der Tasche lägen. Wer aber sagt, daß er ja bescheuert sei noch zu arbeiten, weiß im Grunde genommen ganz genau, warum er es doch tut: Von deutschem Arbeitslosengeld kann mensch im Allgemeinen keinen Urlaub auf Mallorca machen.

Deutschland has gotta die!
Eine Nation ist immer ein Zwangszusammenhang! Der Staat definiert, wer dazugehört und wer nicht. In Deutschland besteht diese Schicksalsgemeinschaft im Moment aus all denen, welche deutsches Blut in sich tragen. JedeR weiß, daß es nur die Blutgruppen A,B,AB und 0 gibt, Blutgruppe "D" gibt es nicht. Ansonsten setzen treue deutsche BürgerInnen aber auch auf Sprache und Kultur als nationenbildende Gründe. Und dies ohne zu merken, daß z.B. Hochdeutsch erst durch die erzwungene Zusammenfassung von Menschen zu einem Staat sich als allgemeine Sprache durchsetzen konnte. Wo bei Weißwurst und Ostfriesentee die gemeinsame Kultur ist, fragt dann auch niemand mehr.
Nationalismus ist aber nicht einfach Spinnkram. Er ist praktisch gemachter Wahnsinn. Das Geschwätz von der Schicksalsgemeinschaft enthält eine Wahrheit: Vom Erfolg des eigenen Staates sind die Leute in soweit abhängig, als daß dessen Mißerfolg ihnen jede Menge Beschwerlichkeiten bereitet. Aber der Erfolg des eigenen Staates beschert den meisten Menschen nur das Glück, sich kräftig für die Gewinne ihrer Unternehmen krummzulegen. Damit werden dann wiederum die Investitionen getätig werden, die wieder Leute arbeitslos machen.
Ihre Abhängigkeit von der Nation übersetzen sich die Menschen unterschiedlich. Die einen reden vom Gesellschaftsvertrag, den wir alle angeblich geschlossen hätten. Andere schwärmen von Goethe als hätten sie den Faust selbst geschrieben. Leute wie die von der NPD sehen die Nation als einen Volkskörper: 'Du bist nichts, dein Volk ist alles'. Aber: Egal was die Leute sich genau denken, im Krieg um Ressourcen und Standortvorteile ergreifen sie alle tüchtig Partei für ihren Staat, damit dieser in der weltweiten Staatenkonkurrenz bestehen kann. Und wenn die BRD ihre Zuständigkeit für die Aufrechterhaltung der herrschenden Weltordnung unter Beweis stellen will, fliegen "unsere Jungs" auch schon mal nach Jugoslawien und schmeißen Bomben auf Belgrad.
So kommt es, daß der Wahnsinn Normalität ist und Not, Elend und Gewalt für die Mehrheit der Menschen garantiert sind. Letztendlich muß sich alles dem Gesetz der Kapitalverwertung unterordnen.
Nur in einer Welt ohne Nationen hat die Aufteilung in In- und AusländerInnen ein Ende. Nur in einer Welt ohne Nationen muß sich niemand mehr einer Volksgemeinschaft unterordnen.

"Bonzen und Bankiers"
Wenn Leute überhaupt mal unzufrieden sind, behaupten sie meistens, irgendwer lebe auf ihre Kosten ohne zu arbeiten. Dies Gemecker über PolitikerInnen, Flüchtlinge und Sozialhilfeschmarotzertum ist demokratischer Alltag. Die gute alte antisemitische Erklärung ist damit eng verwand und immer noch populär: Nicht der Kapitalismus, sondern das raffende Kapital sei schuld. Zwar redet dabei heute kaum noch jemand über Juden, das Ressentiment ist aber gleichgeblieben. Bankiers z.B. arbeiteten ja gar nicht wirklich, sondern seien nur auf den Profit aus. Daran soll das Übel der Welt hängen, und wenn erstmal alle Menschen Arbeit mit ihren eigenen Händen verrichten, wird alles gut. Statt also ein verrücktes System zu kritisieren, in dem alle Menschen um Reichtum konkurrieren, weil aus Geld mehr Geld gemacht werden muß, werden Einzelne verantwortlich gemacht. Da ist der böse Wille und die Profitgier schuld, wenn eine Bank einem Unternehmen einen Kredit verweigert und dies dann Pleite geht.
Wer nicht begreift, daß der Kapitalismus sich "über den Köpfen und hinter den Rücken" (Marx) der Menschen durchsetzt, sucht die Auflösung seiner Verwirrung darin, die wahren Bösewichter zu bestimmen. Beliebte Ziele: Banken, Konzerne, Politiker, Mafia, die USA und die Jüdinnen und Juden, die angeblich hinter all jenen stehen. Das ist die zweite Seite des Antikapitalismus der Nazis.
Die NPD setzt das Volkskollektiv als Lösung, das eben die Schmarotzer einmal mehr beseitigen muß, um dann jedeN EinzelneN vollkommen in der Gemeinschaft aufgehen zu lassen. Wird diese Ideologie zur nationalen Grundüberzeugung und zum Staatsprogramm und werden die angeblich Übeltäter zu Volksfeinden erklärt, dann endet dies in einem Vernichtungsprogramm wie in Auschwitz.

Was bleibt?
Die FaschistInnen denken konsequent das zu Ende, was die ganz normale bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft zur Grundlage hat: Staat, Nation, Volk, Kapital. Insofern sind sie nicht so besonders, wie sie so gern in der bürgerlichen Öffentlichkeit dargestellt werden. Vielmehr zeigt sich bei den rechten Fans der Nation das schon genügend häßliche Gesicht der bürgerlichen Gesellschaft umso deutlicher.
Trotzdem sind die Faschos besonders gefährlich: Sie verhelfen dem Volkskollektivdenken zur weiteren Durchsetzung und bedrohen ganz konkret das Leben derer, die ihrer Meinung nach diesem Kollektiv im Wege stehen. Auch wenn die bestehenden Verhältnisse schon schrecklich genug sind, besteht ein qualitativer Unterschied der bürgerlichen Demokratie vom Faschismus: Letzterer ist die vollständig durchgesetzte Barbarei dieser Gesellschaft. Diese Barbarei zu bekämpfen ist Aufgabe aller, die für eine Welt ohne Herrschaft und Zwang einstehen.

Darum rufen wir auf zum antifaschistischen Widerstand am 1. Mai in Bremen
Kein Fußbreit den Nazis! Gegendemo vor Ort!
Achtet auf weitere Plakate und Flugblätter!
Kein Frieden mit Deutschland!

Dieser Text wurde 1999 als Flugblatt in Bremen verbreitet.